„Alle Menschen sind schlau, die einen vorher, die anderen hinterher.“
Birgit Gold
Werde Vermieter
Man muss sich nur mal in der Szene der passiven Einkommen umhören und schon kommt man um das Thema Immobilie nicht mehr herum.
Viele schwören, dass die Vermietung der heilige Gral des passiven Einkommens ist.
Ist das so und soll ich Vermieter werden?
Kapital oder kein Kapital, das ist hier die Frage
Keine Frage ist die Höhe des monetären Einsatzes. Steige ich bei Aktien, ETFs oder Kryptos vielleicht klein ein, also der Höhe des Geldbeutels entsprechend, geht es bei Immobilien direkt in die Vollen. Alles oder nichts. Erstmal ein Zimmer kaufen und später vielleicht aufstocken funktioniert nicht. Sekt oder Selters. Derjenige, der ein Eigenheim besitzt und bei einer vernünftigen Bank finanziert hat, weiß, dass A und O eines Immobilienkaufs ist die Eigenkapitaldecke. Ohne einen Pfennig oder Cent auf der Tasche kann man sich das eigene Dach abschminken.
Aber wir wollen es doch gewerblich treiben. Sieht es da nicht anders aus. Jetzt bringe ich die Zahl 107 ins Spiel.
Die magische 107
Wenn wir hinter die 107 ein Prozent setzen (es geistert auch die 110 durch das Netz, aber alle besagen dasselbe), dann haben wir ungefähr die Summe, die eine Immobilie mit allen Erwerbskosten (Grunderwerbssteuer, Notar, Makler usw.) letztendlich kostet. So wurden in den Zeiten der absolut niedrigen Zinsen Wohnungen und Häuser gewerblich mit 107 Prozent finanziert. Oder, um es mit anderen Worten auszudrücken: Eigenkapital war nicht nötig. Eine schnelle Möglichkeit, um sich in das Abenteuer Immobilie zu stürzen.
Der Mieter als Ratenzahler
Richtig erraten, bei diesem Finanzierungsmodell zahlt der Mieter die Raten (Zinsen und Tilgung). Das passive Einkommen bewegt sich höchstwahrscheinlich gegen Null, hier kommt es auf die Höhe der Miete und dem Kaufpreis der Immobilien an, aber, mit Null Euro Eigenkapital ist man zum Vermieter geworden und kann ein wenig die Luft der Immobilienmogule schnuppern.
Eine Hütte für mein Portfolio?
Ich mag es, wenn das Risiko ein wenig in der Investition steckt. Risiko bedeutet auch höhere Gewinnchancen und letztendlich auch mehr Geld. So mag man geneigt sein, die Immobilie als neues Portfolio-Mitglied willkommen zu heißen.
Nun, dem ist nicht so und wird es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht werden.
Hierfür gibt es viele, sehr viele Gründe:
Bei den momentanen Immobilienpreisen und Zinsen ist eine 107 Prozent-Finanzierung utopisch geworden. Man kauft eine überteuerte Immobilie zu einer überteuerten Finanzierung. Aktien kauft man auch nicht im Bullenmarkt.
Der Mietnomade. Aus dem Bekanntenkreis, die gewerbliche Vermieter sind, habe ich schon zu viele Geschichten über die Mietnomaden gehört. Keine Lagerfeuerstorys, sondern am Leib erlebte Geschichten, die teuer bezahlt werden mussten.
Passiv ist keine Immobilie, schon gar nicht, wenn man sich Aktien oder ETFs ansieht. Im besten Fall bleibt es bei der Jahresabrechnung. Gut, könnte man sagen, da gibt es Dienstleister. Richtig: Aber Dienstleister kosten Geld. Diese Kosten müssen hinzugerechnet werden, so dass man am Ende des Tages zumindest auf eine Schwarze Null kommt.
Spinnen wir den Faden ein wenig weiter: Es kommt zu Schäden. Einiges kann man sicherlich auf den Mieter abwälzen, auch wenn dies sicherlich einen gestiegenen Diskussionsbedarf nach sich ziehen wird, aber irgendwann ist man am Ende der Fahnenstange angelangt und dann kann es mitunter sehr teuer werden. Ist man das Wagnis 107 Prozent eingegangen, dann könnte die Luft sehr schnell und sehr dünn werden und der Traum vom passiven Einkommen verpufft.
Und zu guter Letzt: Man hat sich eine Wohnung gekauft, die auf dem Markt keiner haben will. Vielleicht unwahrscheinlich, aber ein Restrisiko bleibt. Keine Miete, keine Ratenzahlung und vielleicht sogar eine Zwangsversteigerung. Hypothetisch, aber nicht unmöglich.
Bin ich der Negative?
Investment muss gut überlegt sein. Es ist verlockend, wenn die Bank 107 Prozent übernimmt, aber es kann auch sehr schnell ein Alptraum daraus werden. Der spitze Bleistift ist hier sicherlich einer der besten Freunde, die man in solch einer Situation haben kann.
Wenn ich unter meinen Überlegungen den fetten schwarzen Strich ziehe, dann bleibe ich bei meiner Überzeugung, dass die selbstbewohnte Immobilie für mich in Ordnung geht, aber das passive Einkommen werde ich aus Aktien, ETFs und Kryptos und dem Verkauf auf Etsy generieren. Natürlich besteht auch hier ein Risiko, aber dies ist aus meiner Sicht besser zu steuern als eine Immobilie, die unter der glänzenden Oberfläche vielleicht marode ist.